Was sind Haare? Ein Kopfschmuck? Eine Selbstverständlichkeit? Ein Rest Pelz aus den Zeiten als wir uns noch von Ast zu Ast schwangen? All das und noch viel mehr. Stell dir vor, du hast eines Tages plötzlich keine Haare mehr. Wie würdest du dich fühlen? Genau…. Nackt, beschämt, unattraktiv, anders, deines Selbstwert und deines Selbstbewusstseins beraubt, unendlich traurig, hilflos, verzweifelt, verängstigt… und noch Vieles mehr. Haare sind ein wichtiger Teil unserer Persönlichkeit und unseres Aussehens.
Seit jeher wurde Haare als Ausdrucksform von religiösen Zugehörigkeiten (z.B. Rastafaris, Bayfalls, Hare Krishnas, Mönchstonsur), Stammeszugehörigkeiten (z.B. Indianer Nordamerikas), sozialen Stufen (z.B. Massai, Himba), sozialen Schichten (vor allem in Europas Barockepoche) oder einfach als Ausdruck von Schönheit und Vitalität gesehen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn der Verlust von Haaren den Zusammenbruch einer ganzen Welt bedeutet. Dies gilt besonders für Frauen, da viele Männer mit fortgeschrittenem Alter sowieso ihre Haare verlieren und europäische Männer ihre Haare traditionell kurz tragen.
Warum verliert man seine Haare?
Jeder Mensch verliert jeden Tag zwischen 50 und 100 Haare. Das ist völlig normal. Wenn es mehr sind, können Mangelernährung infolge von Diäten, Stoffwechselstörungen, Stress oder Hormonspiegelschwankungen eine Ursache sein. Das ist schon sehr schmerzlich. Wenn aber wirklich der Großteil der Haare infolge der Krankheit Alopecia areata, anderen seltenen Erkrankungen oder einer Chemotherapie ausfällt, ist es für die Betroffenen häufig der Beginn eines Leidenswegs. Kinder werden gehänselt und gemobbt, wenn sie an einer entstellenden Erkrankung leiden. Verliert ein Mensch Haare infolge einer Chemotherapie, ist es ein weiterer harter Schlag im Kampf um sein Leben, auch wenn eine Chemotherapie Teil der hoffentlich heilbringenden Behandlung ist.
Die Erkrankung Alopecia areata
In der Regel wird Alopecia areata zu den Autoimmunerkrankungen gezählt. Es handelt es sich kurz gesagt um einen entzündlich bedingten Haarausfall. Der Haarfollikel bleibt erhalten, aber es wachsen keine Haare nach, da Entzündungszellen das Kommando in der Wachstumszentrale des einzelnen Haares übernommen haben. Ein Drittel aller Patienten verlieren ihr Kopfhaar stellenweise oder komplett lebenslang. Bei anderen Patienten gibt es immer wieder Zeiträume, in denen das Haar mehr oder weniger normal entwickelt ist, bis es wieder zu einer längeren Phase des Haarverlusts kommt. Medikamentöse Behandlungen lindern die Symptome, verhelfen aber leider nicht langfristig zu einem beständig gesund entwickelten Kopfhaar.
Chemotherapie
Die Chemotherapie zielt darauf ab, schnellwachsende Zellen an der Teilung zu hindern. Schnellwachsend sind vor allem Krebszellen, aber auch die Zellen, aus denen Haare bestehen.
Da die Medikamente (Zytostatika) nicht zwischen Krebszellen und Haarzellen unterscheiden können, wachsen die Haare nicht mehr gesund nach und brechen direkt über der Kopfhaut ab oder fallen aus.
Was hilft Betroffenen?
Betroffenen kann mit Perücken und Haarteilen geholfen werden. Die Krankenkasse erkennen den Leidensdruck mit all seinen psychischen Folgen für Frauen und Kinder an, nicht jedoch für Männer, da es viele Männer mit wenigen oder keinen Haaren in der europäischen Gesellschaft gibt und männliche Haarlosigkeit als normal angesehen wird. Die Krankenkassen gewähren oft nur eine Zuzahlung von maximal 400 Euro bei vorübergehendem Haarausfall und bis zu 1000 Euro bei dauerhaftem Haarausfall. Wird eine Kostenzuzahlung verweigert, lautet die Begründung, dass eine Perücke als ein kosmetisches Accessoire gesehen wird, somit weder Hilfsmittel noch medizinisch notwendig ist. Das ist für Betroffene, die tagtäglich leiden, ein Schlag ins Gesicht. Einige wenige Krankenkassen übernehmen bisweilen die kompletten Kosten für eine Echthaarperücke. Letztlich scheint dies wohl eine Einzelfallentscheidung zu sein.
Können Betroffene, die ein Haarteil benötigen, sich glücklich schätzen, wenn sie die Zuzahlung erhalten? Leider nein. Denn mit ein paar hundert Euro kann man nur eine Kunsthaarperücke erstehen, die nicht so natürlich aussieht. Einige Patienten berichten auch, dass es fürchterlich unter der Perücke juckt, man schwitzt und sich unwohl fühlt. Wenn das Gleichgewicht auf der Kopfhaut gestört ist und ggf. entzündliche Prozesse akut sind, sind Juckreiz und Schwitzen natürlich kontraproduktiv.
Die Zuzahlung für eine handwerklich gefertigte und individuell angepasste Echthaarperücke beträgt zwischen ca. 400 und 2000 Euro. Für viele Patienten ist das kaum erschwinglich. Die Preissteigerung für echtes Haar war in den letzten Jahren immens, da die weltweite Nachfrage durch Modeerscheinungen wie Extensions oder dem aufstrebenden asiatischen Markt groß ist.
Hilft eine Haarspende Menschen, die eine Haarteil brauchen?
Diese Frage ist nicht ohne Weiteres zu beantworten. Wer glaubt, dass seine gespendeten Haare als 1:1- Spende weitergegeben werden, irrt leider. Die Haarspende hilft insofern, dass überhaupt europäisches Haar auf den Markt gebracht wird und verfügbar ist. Die gespendeten Haare werden entweder direkt an die Zweithaarmanufaktur Rieswick & Partner gesandt und diese spendet im Gegenzug an die Krebshilfe 130 Euro, wenn die Haare mindestens 30 cm lang sind, oder die gespendeten Haare werden meistbietend versteigert und der Erlös aus der Versteigerung wird an Non- Profit- Organisationen gespendet. Auf diese Weise sammelt der Bundesverband der Zweithaar-Spezialisten e.V. mit der aktion „Rapunzel“ seit Jahren Spendengelder für diverse Organisationen.
Einzig die Krebshilfe scheint in Einzelfällen und auf Anfrage die Lücke, die durch die maximal mögliche Zuzahlung und dem eigentlichen Preis einer Echthaarperücke entstehen kann, zu schließen. Manche Krankenkasse übernehmen alle Kosten, andere wiederum nicht. Gleiches gilt für Erkrankungen wie Alopecia areata.
Leidet ein Patient unter einer Erkrankung, die Haarlosigkeit verursacht, scheint guter Rat teuer zu sein, um Zuzahlungslücken zu schließen. Leider habe ich keine Organisation gefunden, die an dieser Stelle Bedürftige unterstützt.
Wo und wie kann man Haare spenden?
Die Haare müssen als Zopf mindestens 25 cm lang sein. Die Länge ohne Zopf beträgt dann i.d.R. 30 cm. Sie dürfen nicht dauergewellt, stark strapaziert, geglättet oder chemisch behandelt sein. Sind die Haare gefärbt, kommen sie meist nur in der Reparatur von Haarteilen zum Einsatz. Ihr könnt selbst eure Haare abschneiden (Anleitungen dazu im Netz) oder ihr geht zum Friseur. Einige Friseursalons sind Partner des Zweithaarverbandes oder der Perückenmanufaktur Rieswick und wissen, was zu tun ist, andere brauchen nur die Anleitung und ihr bringt einen Versandkarton, Adresse und Porto mit in den Salon.
Seriös Haare spenden
Als seriöse Institutionen sind in Deutschland die Perückenmanufaktur Rieswick & Partner GmbH sowie der Bundesverband der Zweithaar-Spezialisten e.V. zu nennen.
Informationen zur Spende findet ihr unter:
https://www.haare-spenden.de/index.php#top
https://www.rieswick.de/Service/wir_kaufen_Haare_spenden_sie_Haare.php
https://www.krebshilfe.de/blog/haare-spenden/
Im August hat BVZ- Rapunzel das Motto der neuen Haarspende- Aktion ausgerufen. Diesmal geht der Erlös der versteigerten Haare an die Aktion der Deutschen Knochenmark- Spende „DKMS Life ,Look good, feel better“. Bei der letzten Sammelaktion konnten übrigens 230 kg Echthaar für 105.000 Euro versteigert werden. Nach Abzug von Aufwendungen und Steuern ergab sich eine Spendensumme von 55.000 Euro netto. Ziemlich beachtlich!
Persönliches Fazit
Ich muss sagen, dass ich gedacht habe, eine Spende ist eine, sagen wir, unentgeltliche Zuwendung zum Zweck der Hilfe für einen Mitmensch. Beim Thema Altkleider wurde ich schon eines Besseren belehrt, beim Thema Haarspende hätte ich es in Deutschland nicht für möglich gehalten, dass es doch auch irgendwie ein Geschäft ist. Denn wer sagt mir, dass meine Haarspende tatsächlich einem Menschen, der haarlos infolge Chemotherapie oder einer unheilbaren Erkrankung ist, zugutekommt? Oder ob sie am Ende nicht doch als Kopfschmuck auf dem Kopf einer reichen Tussi landet?
Die Versteigerung scheint gutes Geld einzubringen, nur das Geld kommt nicht immer direkt „Haarpatienten“ zugute, aber doch immer Organisationen, die Menschen mit speziellen Erkrankungen oder in schwierigen Lebensumständen aufgrund von Krankheit betreuen. Daher gefällt mir letztlich die Aktion „Rapunzel“ des Bundesverbandes der Zweithaarspezialisten besser, da nicht direkt eine einzelne Firma davon profitiert. Natürlich versteigert „Rapunzel“ die Haare auch an eine einzelne Firma, aber die sich daraus ergebende Spendensumme für Hilfsorganisationen ist nach meinen Berechnungen um ein Vielfaches höher als bei der Firma Rieswick.
Wer seine mühsam gezüchteten, liebevoll gepflegten, heiß geliebten langen Haare einem guten Zweck zuführen möchte, sei also herzlich eingeladen, diese zu spenden.
Nun wisst ihr, was hinter einer Haarspende steckt. Wer seine Haare bis zur gewünschten Länge wachsen lassen möchte und sie möglichst natürlich pflegen möchte, damit sie auch besonders schön und unbelastet sind, findet hier im Blog viele Tipps und Tricks. Ich freue mich über Kommentare zu diesem Thema! Was sagt ihr zum Thema Haare spenden?
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