Man kann schon einen an der Murmel bekommen, wenn man darüber nachdenkt, was denn nun „Bio“ oder „Öko“ oder „natürlich“ ist. Es gibt mittlerweile zig Siegel für Lebensmittel, Kleidung und Kosmetik. Manchmal höre ich mich etwas peinlich berührt sagen, dass das da leider nicht „Bio“ ist. „Bio“ ist in der Gesellschaft schon zu einem Statement geworden. Wer zu den Guten gehören will, ist „Bio“ und isst „Bio“. Ich habe für mich entschieden, dass man in Sachen „Bio“ und „Öko“ nicht alles (auf einmal) richtig machen kann. Es ist auch oft eine Frage des Geldes, wenn wir mal ehrlich sind. Besonders knifflig wird das Thema „Bio“ beim Thema Kosmetik. Ich habe mal eine kleine Analyse gestartet, um etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Siegel-Wirrwarr: Wem kann ich glauben?
Ich versuche mich tapfer durch das Dickicht an Siegel zu kämpfen. Klar ist mir bereits, nicht jedes Siegel hat die gleichen Standards. Die sehr häufig gesehenen Siegel sind diese hier: Natrue, BDIH, ECOCERT und COSMOS. Bei dem Blick auf meine Tiegel und Tuben fällt mir des Weiteren auf, dass einige die „vegane Sonnenblume“ tragen, andere nicht.
Mit Erschrecken stelle ich fest, dass sich die wenigsten Hersteller offensiv zum Thema Tierversuche auszeichnen lassen. Ich grabe tiefer und finde den Hinweis, dass die vegane Sonnenblume für vegan und frei von Tierversuchen steht. Hinter den Naturkosmetik- Siegeln verbirgt sich ebenfalls „frei von Tierversuchen“. Es scheint aber Schlupflöcher zu geben. In einer globalen Welt gibt es natürlich lange Lieferketten und sogenannte Drittanbieter und Drittländer.
Ich gebe zu, schlussendlich kann ich das Thema nicht komplett beleuchten, da ich die Lieferkette nicht nachvollziehen kann. Klar scheint mir nur, dass Naturkosmetikprodukte, die in China vertrieben werden, auf jeden Fall an Tieren getestet wurden, denn nur so dürfen sie auf dem chinesischen Markt platziert werden. Die Marke Lavera hat sich daher zum Beispiel aus dem chinesischen Markt zurückgezogen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, schaut ebenfalls z.B. nach den Siegeln mit dem kleinen Hasen oder der veganen Sonnenblume.
Wieviel „Bio“ darf man nun bei welchem Siegel erwarten?
Je nach Anteil der ökologisch oder biologisch angebauten Inhaltsstoffe darf man erstmal die Unterscheidung in Naturkosmetik und Biokosmetik erwarten. Die Siegel für Biokosmetik haben dann meist den internationalen Zusatz „organic“.
Wieviel Bio-Rohstoffe müssen dann im Produkt sein, damit es per Siegel als Biokosmetik deklariert werden darf (zusammengefasst nach meinem Verständnis):
• BDHI: mindestens 95 % (ausgenommen Wasser und Mineralien)
• Natrue: mehr als 70% (ausgenommen Wasser)
• ECOCERT und COSMOS: hieraus werde ich nicht ganz schlau. Zum einen heißt es „Mindestens 95% der physikalisch verarbeiteten Agrar-Bestandteile (PPAI) muss biologisch sein.“ Zum anderen dann darunter dieser Hinweis: „Mindestens 20% des Gesamtprodukts muss biologisch sein.“. Des Weiteren finden sich einige Ausnahmen, die sich auf den Produkttyp beziehen.
Ich bin weder Chemielaborantin noch Expertin von Stiftung Warentest oder der Verbraucherzentrale, ich bin einfach nur Otto-Normal-Verbraucher und werde leider aus den Angaben nicht komplett klug. Man muss viel rechnen, um die prozentualen Anteile zu entschlüsseln. Bei der BDHI-Kosmetik könnte ja theoretisch 70% Wasser im Gesamtprodukt sein. Die 95% Inhaltsstoffe aus biologischem Anbau beziehen sich ja nur auf den wasserlosen Anteil. Im Umkehrschluss denke ich mir dann zur Naturkosmetik, dass sie auch Inhaltsstoffe enthalten können, die mit Pestiziden und Düngemitteln in Berührung gekommen sind. Und um noch ein bisschen Verwirrung zu stiften: Weder der Begriff Naturkosmetik, noch der Begriff Biokosmetik ist geschützt.
Die Siegel geben mir auch bei genauerem Betrachten keine hundertprozentige Sicherheit, was ich da nun in Händen halte. Daher mag ich auch keine Empfehlung aussprechen, nach welchen Siegeln du deinen Einkauf ausrichten kannst. Schlecht sind sie sicher nicht, sie bürgen meines Erachtens schon für eine gute Qualität. Ich kann nur eben leider nicht detailliert nachvollziehen, wo „Bio“ anfängt und aufhört.
Im Bio-Dickicht der Kosmetikregale: Wie finde ich mich zurecht?
Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen Naturkosmetik, Biokosmetik und …Achtung jetzt kommt´s… naturnaher Kosmetik. Naturkosmetik ist schon mal ganz gut, aber wie bereits festgestellt, ist sie nicht 100% „Bio“ und auch nicht 100% pflanzlich. Denn der Begriff sagt nur, dass die meisten Inhaltsstoffe natürlichen Ursprungs sind. Das heißt, es kann auch was vom Tier drin sein, aber wiederum kein Mineralöl. Ich persönlich denke bei Naturkosmetik immer an ein rein pflanzliches Produkt, aber das muss nicht sein. Zum Bespiel steht auf der Weleda Calendula Babycreme „100% zertifizierte Naturkosmetik“, aber es ist Bienenwachs und Wollwachs vom Schaf enthalten. Der Teufel steckt also im Detail. An dieser Stelle kann dir die erwähnte vegane Sonnenblume weiterhelfen.
Wenn du dich fragst wie die Preisunterschiede der Produkte zustande kommen, denk zum einen an den tatsächlichen Anteil von „Bio“ im Produkt und den Wasseranteil. Hier lohnt sich auch ein Blick auf die Inhaltsstoffe und die gehighlighteten Angaben. Ich habe mir dazu einfach mal einige Produkte von Alverde vorgenommen. Schaut man sich die Bestandteile an, fällt schon auf, dass nicht alles „Bio“ ist (siehe Kennzeichnung mit Sternchen). Außerdem findet man in der Infobox den Hinweis „Rohstoffe bevorzugt aus kontrolliert biologischem Anbau“. Immerhin ist Alverde an dieser Stelle offensichtlich ehrlich. Wenn ich mir die Richtlinie des vergebenen Natrue-Siegels anschaue, müsste der prozentuale Anteil an Inhaltsstoffen aus biologischem Anbau bei unter 70% liegen und von den verbleibenden 30% an Inhaltsstoffen ist nicht alles „Bio“.
Falls das Produkt Glycerin enthält, bekomme ich Magengrummeln. Glycerin pflanzlichen Ursprungs stammt häufig aus Verarbeitungsprozessen mit Palmöl. Dies ist eins der lukrativsten Öle der Welt und hierfür werden täglich viele Hektar Regenwald (besonders in Malaysia und Indonesien) abgeholzt. Damit wird vielen Tieren, auch den vom Aussterben bedrohten Orang-Utans, der Lebensraum genommen. Es ärgert mich, dass so etwas unterm dem Siegelchen der Naturkosmetik möglich ist. Aber am Ende des Tages ist auch das „Bio“- Business ein Geschäft wie jedes andere auch. Palmöl und dessen Nebenerzeugnisse sind einfach billig und machen damit ein Endprodukt auch günstig für den Endverbraucher.
Einige freche Werbefachleuten nehmen übrigens Wasser als natürlichen Inhaltsstoff hinzu. Das kann dann auch nochmal zu irreführenden Angaben wie „95% natürlichen Ursprungs“ führen. Faktisch haben sie Recht, aber die Erwartung des Verbrauchers zielt meines Erachtens eher auf den Aspekt „aus biologischem Anbau“ oder „rein pflanzlich“ ab. Und mit der Werbung sind wir dann auch beim Begriff „naturnahe Kosmetik“ angekommen.
Sind dir schon die Verpackungen in der Drogerie aufgefallen, die oft in Grüntönen gehalten sind oder Natur, Natural, etc. im Namen tragen? Genau! Meist handelt es sich um die großen Marken wie Garnier, L´Oreal oder Nivea. Aber auch kleinere Labels wie Langhaarmädchen, Yves Rocher, The Body Shop, Lush, L’Occitane, Origins und Rituals sind zu nennen. Sie machen auffällig viel „grünen Wind“, aber es ist eben auch nur Wind. Du wirst kein Naturkosmetiksiegel finden und die Liste der Inhaltsstoffe beinhaltet einiges an Chemie. Es handelt sich nur um „naturnahe Kosmetik“. Es ist ein Trick der Werbung. Wasser kann als natürlicher Inhaltsstoff bei der prozentualen Erfassung natürlicher Inhaltsstoffe hinzugenommen werden, es finden sich immer wieder die „Frei von…“- Aussagen (frei von Parabenen, Konservierungsstoffen, Silikonen, etc.) und es werden besonders wertvolle und teure Bio- Inhaltsstoffe in Szene gesetzt. Bei diesen hochwertigen Inhaltsstoffen handelt es sich zum Beispiel um Arganöl oder Traubenkernöl. Diese sind aber tatsächlich in verschwindend geringer Menge enthalten. Die Gedanken des Verbrauchers werden gezielt auf die „Bio“- Aspekte und einige pflanzliche Inhaltsstoffe gelenkt. Man nennt das Greenwashing.
Soweit so gut oder soweit so verwirrend? Ich finde der Einkauf von Naturkosmetik gestaltet sich etwas schwierig und ist wenig transparent. Hier mein Tipp, um eine grobe und recht schnelle Unterscheidung zu treffen, ohne lange zu recherchieren:
• Schau auf den Preis.
• Ist etwas sehr günstig wie die „Bio“-Hausmarken der Drogerien, kann es schon keine Kosmetik mit hohem Anteil an Inhaltsstoffen aus biologischem Anbau sein
• schau auf die Liste der Inhaltsstoffe. Der erste Stoff in der Liste ist am meisten enthalten, der letzte am wenigsten. Steht Wasser an erster Stelle?
• Lade dir eine App aufs Handy, mit der du Produkte scannen oder Inhaltsstoffe überprüfen kannst (z.B. Codecheck)
• Welches Siegel findest du?
• Wenn du es genau wissen willst, frag nach. Ich habe die besten Erfahrungen in kleinen Reformhäusern gemacht, denn hier legt man noch viel Wert auf fachlich versiertes Personal.
Warum eigentlich „Bio“ Kosmetik?
Letztlich muss sich die Frage jeder selbst beantworten. Ich habe für mich entschieden, dass ich mir weder tote Tiere noch Chemie ins Gesicht oder an den Körper schmieren möchte. Wenn ich Kosmetik benutze, sollte sie wenigstens einige Mindeststandards meiner Wertvorstellungen erfüllen, wie z.B. „nicht an Tieren getestet“ oder auch „frei von Palmöl“ (aus dem gleichen Grund esse ich übrigens auch kein Nutella). Außerdem unterstreichen immer mehr Studien, dass die chemischen Inhaltsstoffe in Kosmetik große gesundheitliche Schäden anrichten können. Zuletzt las ich von einer spanischen Studie, die herausfand, dass eine große Korrelation zwischen Parabenen, Benzophenonen und der Erkrankung Endometriose besteht. Parabene und einige weitere typische Zusatzstoffe der herkömmlichen Kosmetikindustrie greifen in den Hormonhaushalt der Frau her. Nein danke, ohne mich…. Der Weg hin zur Naturkosmetik ist übrigens kein einfacher. Durch die Werbung und die bunte Glitzerwelt in den Drogeriemärkten ist man doch etwas gebrainwasht und es fällt nicht immer leicht, den tollen Versprechungen zu widerstehen. Daher fange langsam mit der Umstellung an, falls du noch keine Naturkosmetik benutzt. Wenn du schon in deiner Einstellung zum Thema Naturkosmetik fortgeschritten bist, kannst du auch dazu übergehen, nur noch Öle zur Körperpflege zu benutzen. In jedem Fall wünsche ich „happy creaming, stay natural and keep body positivity!
Diesen Artikel hat Maren Hinterthür beigesteuert:
Maren Hinterthür ist studierte Geographin und schreibt über verschiedene Themen, die ihr Leben bereichern. Dazu zählen ökologische und gesunde Lebensführung und Nachhaltigkeit. Vieles hat sie selbst in diesem Bereich ausprobiert. Des Weiteren sind Länder, Menschen und Abenteuer ihre Faszination. Facettenreich schreibt sie u.a. zu touristischen oder länderkundlichen Themen. Sie liebt Handwerken und kann sogar Kühe melken.
Danke auch hier für diesen informativen Einblick in das Bio, Öko und Naturkosmetikwirrwarr