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Lehrjahre sind keine Herrenjahre – Friseurlehre im Blick

9. Aug 2021 | Info

Für viele Mädels und auch Jungs scheint der Beruf eines Friseurs die Erfüllung aller Träume. Andere Menschen stylen und das Beste aus ihnen herausholen – das ist eine Aufgabe, die sich lohnt. Die Realität sieht meist ganz anders aus. Die Friseurlehre ist die Lehre mit der höchsten Absprungrate. Das liegt nicht nur daran, dass die Lehrlinge oft nicht wissen, was für ein Knochenjob auf sie zukommt. Sondern vor allem daran, dass es immer noch viele ausbildende Salons gibt, die nicht in der Lage sind, den Lehrlinge Spaß auf die Arbeit zu machen.

Neulich lass ich, dass eine Hamburger Friseurchefin bereits seit zehn Jahren nicht mehr ausbildet. Laut ihrer Aussage bringen die Lehrlinge von heute keine Liebe und Leidenschaft zum Beruf mehr mit. Da stellen sich mir doch gleich zwei Fragen:

1. Wenn in dem Salon schon zehn Jahre nicht ausgebildet wird, woher will die Chefin wissen, wie die Lehrlinge von heute sind?

2. Woher sollen denn die Lehrlinge Liebe und Leidenschaft zum Friseurberuf mitbringen? Die meisten Friseurlehrlinge haben doch nur eine Ahnung, auf was sie sich da einlassen. Selbst ein Praktikum kann den Beruf nur anreißen. Es ist doch die Aufgabe der auszubildenden Unternehmen, den Lehrlingen Liebe und Leidenschaft zum Friseurberuf zu vermitteln.

In den letzten Wochen habe ich mich mit Friseuren, Friseurmeistern und Lehrlingen über ihre Lehrzeit unterhalten. Die Eindrücke sind schockierend. Teilweise hatte ich den Eindruck, dass sich in den letzten 15 Jahren nichts geändert hat und die Ausbildung eher einer modernen Sklaverei gleicht. Gut, „moderne Sklaverei“ ist etwas übertrieben, aber nicht weit entfernt von der Realität.

Auch Sandra hatte es während der Lehrzeit nicht leicht. Begonnen hat sie die Lehre in einem renommierten Salon, bei dem wir angenommen hatten, dass die Ausbildung auch entsprechend ist. Geblieben ist sie da nicht. Und das lag nicht an ihr, sondern an den Ausbildungsgebaren im Salon. Da habe ich als Mutter manches mal gewartet, wo mein Kind herkommt, obwohl ich genau wusste, dass die Arbeitszeit schon vor zwei Stunden und mehr vorbei war. Nicht selten bin ich auch noch mal losgefahren, um Sandra zu holen, weil die Bahn nicht mehr fuhr. Sie hat zweimal gewechselt. Und das aus gutem Grund, denn ohne den Wechsel hätte sie die Prüfungen nicht geschafft, da ihr in den Salons einfach nicht die Grundlagen dafür beigebracht wurden. Für Sandra war ihre Lehrzeit ein Grund, es anders zu machen. Im August 2020 hat Sandra zwei Lehrlinge genommen. Sie hat beide von Beginn an in die Arbeit mit einbezogen. Sandra hat den Mädels nicht alle Steine aus dem Weg geräumt, aber ihnen bei Schwierigkeiten den Rücken gestärkt. Eben so, wie sie es zuhause gelernt hat. Dafür haben ihre Lehrlingsmädels sie geliebt.

Viele Lehrlinge und Facharbeiter erzählen, dass sie in den ersten Jahren eine billige Putzkraft im Salon waren. Natürlich muss ein Friseursalon sauber und schick sein, schließlich sollen Kunden sich wohlfühlen. Aber muss diese Arbeit bei den Lehrlingen allein hängen bleiben? Eine Friseurmeisterin erzählt mir sogar, dass die Wohnung der Chefin gleich neben dem Salon war und sie auch Wohnung putzen und sich teilweise um die Kinder kümmern musste. Das klingt doch sehr nach tiefsten Mittelalter. Dass man so die Lehrlinge verprellt, ist wohl nicht verwunderlich.

Es ist schon krass, aus welchen Gründen Friseurlehrlinge manchmal tyrannisiert werden: weil sie schüchtern sind und nicht gleich auf Kunden zugehen; weil sie die vermeintlich falsche sexuelle Gesinnung haben; weil die Zensuren nicht so sind, wie der Chef oder die Chefin es sich vorstellen; weil sie etwas länger brauchen, um etwas perfekt zu können; weil man selbst eine schwere Ausbildungszeit hatte und manchmal auch nur, weil die Lehrlinge eben sind, wie sie sind. Oft wird den Lehrlingen gerade im ersten Lehrjahr nur wenig beigebracht. Überstunden sind selbstverständlich, obwohl rechtlich verboten. Nicht selten kennen die auszubildenden Unternehmen zwar die Pflichten der Lehrlinge aber nicht deren Recht.

Kein Wunder also, dass die Absprungrate gerade bei Friseuren so hoch ist. Im zweiten Lehrjahr ist oft nur die Hälfte der Lehrlinge noch übrig. Die anderen haben schon aufgegeben. Viele der Lehrlinge haben den Ausbildungsbetrieb schon gewechselt. Dass die Lehrlinge im zweiten Lehrjahr noch im gleichen Salon sind, in dem sie begonnen haben, ist eher die Ausnahme. Dazukommt, dass die Friseurlehre im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen am schlechtesten bezahlt wird.

Wer jetzt meint, Friseure stehen eh nur rum und fummeln ein bisschen an den Haaren der Kunden und halten Kaffeeklatsch, der darf sich gern mal dahinstellen. Friseur ist ein Knochenjob – ein schlecht bezahlter obendrein. Das gilt auch für die Lehrzeit, denn in kaum ein anderer Beruf wird die Ausbildungszeit so schlecht bezahlt wie in der Friseurlehre. Die wenigsten Friseure machen heute den Job ein Leben lang. Viele steigen vorher schon aus. Auch, weil sie eben Liebe und Leidenschaft zum Beruf schon in der Lehre nicht beigebracht bekommen haben.

Natürlich gibt es nicht nur schlechte Ausbildungsbetriebe bei den Friseuren. Aber die guten Unternehmen sind rar und die Lehrstellen sind in diesen Salons oft schnell weg. Wenn sich für Friseurlehrlinge in den nächsten Jahren nicht etwas drastisch ändert, werden wir wohl in Zukunft unsere Haare allein schneiden müssen.

So findest du bestimmt den richtigen Friseursalon für die Ausbildung:

1. Ein Praktikum gibt dir schon mal Auskunft über die Gebaren im Salon. Achte dabei nicht nur darauf, wie man mit dir umgeht, sondern auch, wie man mit den Lehrlingen umgeht.

2. Eine Empfehlung ist immer gut. Frage andere Friseurlehrlinge und Ausgelernte, ob sie „ihren“ Salon für die Friseurlehre wirklich empfehlen können.

3. Auch die Berufsschulen, in denen du später den theoretischen Unterricht hast, wissen genau, welcher Friseursalon ein guter Ausbildungsbetrieb ist.

4. Der renommierteste Ausbildungsbetrieb ist nicht zwingend der Beste. Auch dort gibt es schwarze Schafe. Du solltest dich also nicht darauf verlassen, dass du hier von Anfang an ernst genommen wirst.

5. Bereite dich auf das Vorstellungsgespräch gut vor. Frage nicht nur nach der Ausbildungsvergütung – die ist sicher wichtig – , sondern auch nach der Betreuung, Weiterbildungen und vor allem nach der Arbeitszeit.

Sei bei deinem Ausbildungsbetrieb sehr wählerisch, sonst wird die Traumlehre Friseur zur Albtraumlehre.

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